Verlockend gastlich seit 1600.

Die „Loreley“, Coburgs wohl bekanntestes Wirtshaus, kann auf eine über 400 Jahre alte Geschichte zurückblicken. Bis ins Jahr 1508 zurück sind die Eigentümer des Hauses Herrngasse 14 im „Coburger Häuserbuch“ von Ernst Cyriaci namentlich aufgeführt. 1581 wird das Anwesen als Bäckerei (Beck) bezeichnet. Bäckermeister Georg Knauer, der das Haus 1597 erwirbt, ist im Nebenberuf Brauer; also verkauft er neben deftigem Brot auch selbstgebrautes Bier.

So war schon um 1600 das Anwesen ein Ort der Geselligkeit, in dem reichlich Gerstensaft floss und geraucht werden durfte, was sonst in der Öffentlichkeit verboten war. Der Name „Herrenbeck“, der sich bald bildete, geht vermutlich auf den Straßennamen zurück.

Ab 1772 wird das Haus durch Erwerb des Nachbaranwesens erweitert, so dass der Bierkeller fast bis zum Schloss Ehrenburg heran reichte. In diese Zeit fallen auch die Erteilung der Schankerlaubnis und der Umbau zum Gasthaus. Bauern und Bürger verkehrten hier nun regelmäßig und die Backstube verschwand allmählich.

Anfang des 19. Jahrhunderts übernahm Phillip Frommann das Haus, das ab 1852 sein Sohn Georg weiter führte. Dieser weitgereiste junge Mann, der zunächst nach Amerika ausgewandert war, macht das Wirtshaus durch seinen Fleiß und seine Freundlichkeit zu einem florierenden Lokal, das bald viele Stammtische und Künstler des nahen Hoftheaters anzog.

Zu den Stammgästen gehörten auch die Brüder Max und Gotthold Brückner, zwei berühmte Theatermaler, die u.a. auch für Richard Wagner arbeiteten. Zur Verschönerung des gepflasterten Hausflures, in dem mangels Platz in der Wirtsstube das Künstlervolk seinen Stammtisch zwischen den dort stehenden Mehlkästen aufgestellt hatte, brachten die beiden zwei romantische Gemälde vom Rhein und der schönen Maid auf dem Loreleyfelsen an. Die heute nicht mehr vorhandenen Bilder sorgten dafür, dass die Gäste bald nur noch liebevoll von der „Lore“ sprachen und folglich ab 1860 aus dem einstigen „Herrenbeck“ das Wirtshaus „Loreley“ wurde. Das 1899 entstandene Bild „Loreley“ von Emil Krupa-Krupinski (1872–1924) soll ein Hinweis sein, wie die Coburger „Lore“ ausgesehen haben könnte.

m Jahr 1900 übernahm Karl Nößler die „Lore“ und veranlasste größere Umbauten und Erweiterungen. Dabei entstanden ein Künstlerwinkel, die so genannte „Neidhöhle“, und das Jägerzimmer. Viele Theaterleute und Beamte, aber auch Originale wie der legendäre „Roeperts Karl“, ein etwas heruntergekommener Offizier, waren hier Stammgäste. Seit etwa 1870 ist die „Lore“ Stammlokal der Landsmannschaften bei ihrem alljährlichen Pfingsttreffen.

1933/34 wurde das Lokal von der Münchner Paulaner Brauerei erworben, die später auch die Coburger Hofbräu kaufte. Über Jahrzehnte florierte die „Lore“, allerdings nagte der Zahn der Zeit arg an ihr: Küche und sanitäre Anlagen waren mittlerweile total veraltet, das Haus wurde 1990 geschlossen. Nach fünf Jahren führte die Brauerei eine Generalsanierung durch und die Gaststuben erstrahlten wieder in altem Glanz.

Seit 2012 ist das Traditionshaus wieder im Besitz eines Coburgers. Dieser ließ Gaststuben, Küche und Nebenräume stilecht renovieren. Mit Quang und seinem Team knüpfen erfahrene Wirtsleute an die Jahrhunderte alte Tradition und werden durch Freundlichkeit und Köstlichkeiten den legendären Ruf der „Lore“ stärken. Gemäß dem einstigen Motto des Hauses: „Damit das Gute in Coburg erhalten bleibt!“

Kleine Anekdoten aus unserem schönen Restaurant in der Coburger Innenstadt

Louis Walter, Aus der Geschichte der Coburger Loreley, A. Roßteutscher, Buch und Steindruckerei Coburg (um 1920)

„Coburger Rauchbrot” – dank billigem Tabak aus Neustadt

Um 1800 kamen die Gäste zum „Herrenbeck“ nicht nur wegen des Essens, Biertrinkens oder Politisierens. Vielmehr wollten sie nach Herzenslust rauchen. Das war damals in den Straßen und Gassen der Stadt streng verboten – nicht aber in den Wirtshäusern. Also rauchte man dort. Allerdings waren die neu aufgekommenen Hamburger Zigarren den biederen Coburgern zu teuer. Und Zigaretten wurden als neumodisches Zeug abgelehnt. Blieb also nur noch das Pfeifenrauchen übrig. Begünstigt wurde dieses Laster dadurch, dass in der Nachbarstadt Neustadt ein billiger Rauchtabak hergestellt wurde. Der stand beim „Herrenbeck“ in Schüsseln und Zinntöpfen auf den Tischen und lud zum Qualmen ein. Dem angemachten Brotteig in der Ecke der Bäcker- und Wirtsstube tat das keinen Abbruch – vielleicht war das vorgeräucherte Brot sogar besonders schmackhaft.

Louis Walter, Aus der Geschichte der Coburger Loreley, A. Roßteutscher, Buch und Steindruckerei Coburg (um 1920)

Der Fregatten-Stammtisch aus dem Dänenkrieg

Anfang des 19. Jahrhunderts bildeten sich viele Stammtische in der „Lore“, darunter der  „Bismarcktisch“, an dem die Verehrer des Reichskanzlers tagten, oder der „Streichriemen“, der durch allerlei Schabernack in der Stadt von sich reden machte, der Stammtisch der Turngenossenschaft und der „Gefionstammtisch“.  Seine Mitglieder saßen an einem Original Kajütentisch von der Fregatte „Gefion“, die im Dänenkrieg 1849 unter Führung des Coburger Herzogs Ernst II erobert worden war. Immer herrschte frohe Stimmung.  Aus der Laune heraus entstanden richtige Künstlerabende. Musiker gaben am Tafelklavier Konzertstücke zum Besten oder begleiteten Lehrer Wittmann, der auf seinem Cello wunderbar zu spielen verstand. Die mütterliche Wirtin lieferte preiswert und gut aus ihrem Küchenreich, und die adretten Wirtstöchter „Änne“ und „Settle“ waren  bei Fremden und Einheimischen gleichermaßen beliebt. Zu den „Hofabenden“, die gelegentlich veranstaltet wurden, saßen dann auch Gäste aus dem Herzogshaus in der „Lore“.

Louis Walter, Aus der Geschichte der Coburger Loreley, A. Roßteutscher, Buch und Steindruckerei Coburg (um 1920)

Der Roeperts Karl: Baron mit vielen Schulden und noch mehr Humor

Zu den Stammgästen der „Lore“ gehörte Karl Freiherr von Roepert, Gardeleutnant a. D. und Ritter des Eisernen Kreuzes von 1870/71, ein Mann von unermesslichen Schulden, aber  voller Humor, Einfälle und Schlagfertigkeit. Der in Coburg geborene „Roeperts Karl“ hatte eine steinreiche Braut und daher überall Kredit. Sein Verhängnis war, dass er als Adjudant während einer Theaterpause aus der Loge einigen Bekannten im unverfälschten Dialekt laut zurief „Ihr Coborgar seid ah do“. Was in einer anderen Loge seine Schwiegermutter in spe hörte und sah – und aus war es mit der reichen Heirat. Der Baron quittierte seinen Dienst und blieb zeitlebens Forstassessor in Herzogs Diensten mit einem Monatsgehalt von 125 Mark, das nie erhöht wurde, weil jede Mark darüber sofort gepfändet worden wäre. Als er älter wurde, schlief er im Lokal oft ein und lehnte seinen Kopf an die Wand – so entstand in der „Lore“ eine Sehenswürdigkeit: der Fettfleck des Barons von Roeper.  Als eines Tages mal wieder übers Wetter gesprochen wurde, meinte er zu seinen Stammtischbrüdern: „Die Kelt in Coborg ist gar nix gegen die Kelt anno Siebzig in meim Quartier vor Paris. Vor lauter Kelt kunnt ich net eigeschlof und hob dabei immer a Gazisch gehört. Ich guck unner mei Bett, wos sah ich do? Die Flöh ham in mein Nachttopf Schlittschuh gfahrn.“

Ernst Eckerlein  erzählt aus der Coburger Heimat, Verlag Coburger Blattla, 1981

Der Wirt aus Amerika – oder wie die „Loreley“ nach Coburg kam

Georg Frommann übernahm 1852 das Wirtshaus  “Herrnbeck“ von seinem Vater Phillip. Der Wirtssohn war in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts wie viele Coburger wegen der politischen Unruhen nach Amerika ausgewandert.  Seine Weltgewandtheit und der familieneigene Humor machten ihn bald zum gern gesehenen Wirt, der seine Gäste gut zu unterhalten verstand. So kehrten immer mehr Sänger, Schauspieler und Musiker beim „Herrenbeck“ ein – darunter die beiden Theatermaler Max und Gotthold Brückner, die auch für Richard Wagner in Bayreuth arbeiteten. Den gepflasterten Hausflur, wo das Künstlervolk aus Platzmangel seinen Stammtisch zwischen den Mehlkästen abgestellt hatte, verschönerten die Brückner-Brüder eines Tages mit zwei Gemälden. Sie zeigten den Rhein, den Loreleyfelsen und die schöne Zauberin Loreley. Bald sprachen die Coburger nur noch von der „Lore“ – acht Jahre später wurde das Gasthaus „Herrnbeck“  offiziell in „Loreley“ umbenannt.

Louis Walter, Aus der Geschichte der Coburger Loreley, A. Roßteutscher, Buch und Steindruckerei Coburg (um 1920)

Der Bierstreik von 1878 – wie die Coburger die Aktienbrauerei besiegten

Unter dem Wirt Heinrich Müller, der die Lore 1875 von seinem Schwiegervater übernahm, florierte die „Lore“  und konnte sich sogar Werbung in auswärtigen Zeitungen leisten. Nur einmal wurden die Biergemütlichkeit und das gute Verhältnis zwischen den Gästen und ihrem lieben „Heiner“  nachhaltig gestört.  Als im Jahre 1878 in der „Lore“ der Preis für das „Kärtle“ Bier wegen der Erhöhung der Biersteuer von 10 auf 12 Pfennig stieg, schimpften die Bürger über Bräuer und Steuer gleichermaßen. Die Gäste blieben für einige Wochen dem geliebten Lokal fern, denn in anderen Coburger Wirtshäusern, die noch selbst brauten, kostete das Bier nach wie vor 10 Pfennig. Die Brauerei gab schließlich nach – und der „Musterwirt“ konnte seine Gäste wieder begrüßen und ihnen das beliebte „Aktien“  zu 10 Pfennig einschenken.

Ernst Eckerlein  erzählt aus der Coburger Heimat, Verlag Coburger Blattla, 1981

Knochen für den Großen Genrealstab und Post vom Eisenbahnminister

Heinrich „Heiner“ Müller begründete durch seine Geschäftstätigkeit und durch Anzeigen in großen auswärtigen Zeitungen den legendären Ruf der „Lore“. Sie wurde zum Treffpunkt aller Fremden, die nach Coburg kamen. Als 1894 der Große Genrealstab durch Thüringen kam, meldete er sich in der „Lore“ an und hielt dann eine gewichtige Sitzung bei kühlem Bier und großen „Salzknochen“ auf Tischen und Bänken vor dem Gasthaus. Eisenbahnminister Lutzius, der gerne Coburg besuchte, meldete seine Ankunft stets vorher per Postkarte an die „Lore“ an: „Bierkrüge zurecht machen und Knochen mit Kraut“!